Süddeutsche Zeitung

Donnerstag, 2. August 1990

Dichterin von Richtsprüchen
Ob nun Türkisch angesagt ist oder Griechisch, Spanisch, Englisch oder Jugoslawisch: Eva Bergmeier bringt so schnell nichts aus der Fassung. Mindestens ein, zwei Sätze beherrscht sie in jeder dieser Sprachen. Eva Bergmeier braucht ihre Fremdsprachenkenntnisse für ein ungewöhnliches Hobby: Sie dichtet Richtsprüche und trägt sie auf den Baustellen selbst vor. Dabei hat sie es sich zum Prinzip gemacht, den Dank des Bauherrn auch an die ausländischen Bauarbeiter weiterzugeben und zwar in deren Muttersprache. Mit dem Dichten und Schauspielern hat die eingefleischte Münchnerin - "um Gottes willen, i mecht nirgends anders wohnen" - bereits in der Kindheit angefangen. Schon im Kindergarten haben ihr die Weihnachtsaufführungen einen "Riesenspaß" gemacht. Nach dem Besuch der Volksschule am Elisabethplatz und des Luisen-Lyzeums war sie fünf Jahre lang in Immenstadt im Internat. Hier hat sie dann angefangen, auch selbst Gedichte zu schreiben meistens für Freundinnen zum Geburtstag.
Nach der Schulzeit arbeitete sie anfangs in einer Wirtschaftsprüferkanzlei, verfaßte weiter "personenbezogene Gedichte" - wie sie das nennt - und spielte Theater. Ihre erste Gage bestand aus zwei Prinzregententorten pro Abend, als sie im Apollo-Theater zusammen mit Fee von Reichlin, Oskar Paulig und Klaus Havenstein ("sooo ein schmales Bürscherl damals") auftrat. Auch in der Katakombe und im Volkstheater in der Au war sie schon zu sehen, außerdem bei zahlreichen privaten Festen und Veranstaltungen. An den Auftritt in einem Eheanbahnungsinstitut erinnert sich die "auf eigenen Wunsch glücklich geschiedene" Eva Bergmeier noch sehr gut: "Ich hab gsagt, ich komm nur, wenn da unten keiner für mich hockt und ich solo wieder heimgehen kann."
Auf die Richtspruch-Dichterei kam sie durch ihre Arbeit als Chefsekretärin in der Bauabteilung der Oberfinanzdirektion: Da sie sich auf dem Bau auskannte und auch noch im Dichten bewandert war, wurde sie 1974 aufgefordert, sich doch einmal an einem Richtspruch zu versuchen. Inzwischen besitzt Eva Bergmeier sogar eine echte Hamburger Zimmermannskluft, und das Reimen an sich geht ihr recht locker von der Hand. Aber in einen "Hebweih-Spruch" müssen auch Fakten rein: Eva Bergmeier wälzt Geschichtsbücher, sammelt Informationen über die prominenten Gäste, die zur Feier eingeladen sind und erkundigt sich bei den Arbeitern auf der Baustelle nach lustigen Vorkommnissen während der Bauzeit. Gab es denn noch nie Probleme, wenn eine Frau in eine solche Männerdomäne eindringt? "Nein", sagt Eva Bergmeier, "die Männer reagieren immer sehr gut. Man muß halt die Sprache der Arbeiter sprechen und darf net verraten, von wem man seine Informationen hat." In einem Richtspruch müsse jeder "angeschossen" werden, aber nicht auf beleidigende Art. "Eine Frau mit Humor kann sich dabei oft mehr leisten als ein Mann", meint sie.
Die Schwabingerin erzählt bereitwillig und lebhaft aus ihrem Leben, zitiert einen Richtspruch nach dem anderen, ein Gedicht nach dem anderen (aus ihrem Buch: "A Esel wann schreit") - aber eines will sie nicht verraten: ihr Alter. "Des schreibn mir nirgends nei, schreibns halt, sie ist zeitlos." Sogar in der Biographie ihres Gedichtbandes steht lediglich: "In einer eiskalten Mainacht achtpfündig geboren." Obwohl sie schon oft bei Richtfesten ans Rednerpult getreten ist, plagt sie nach wie vor das Lampenfieber und eine "Mords-Nervenanspannung". Aber wenn die Gäste zum ersten mal geklatscht haben, ist die Nervosität weg. Spaß hatte Eva Bergmeier an allen "ihren" Richtfesten, das Schönste aber war "des mit Tandler". Vielleicht deshalb, weil ihr der Finanzminister nach dem Hebauf beim Erweiterungsbau der Oberfinanzdirektion einen Brief geschrieben hatte mit einem dicken Lob für ihren Richtspruch: "Sie haben das toll gemacht, alle Achtung."

Doris Breitsameter

Süddeutsche Zeitung

15./16.12 .1984 Seite 20

MünchnerVerserl zum Lesen und Hören

Einen ungewöhnlichen Weg hat die Mundartautorin und Laienschauspielerin Eva Bergmeier eingeschlagen, um ihre Gedichte bekanntzumachen: Sie gab ihr Erstlingswerk "A Esel wann schreit" (44 Seiten) im Eigenverlag heraus und fügte gleich - quasi im "Medienverbund" - eine Tonkassette bei, auf der sie ihre Gedichte in , Münchner Mundart selbst spricht. Sie beschreibt darin zum Beispiel Stammtisch- und Hofbräuhaus-Szenen, das alte Schwabing, Wies'n-Begegnungen, ländliche Impressionen, die Au, eine "ausg'schaamte Faschingsprinzessin", einen , "Feierdog an da Isar" oder die "Lebensphilosophie einer Molligen". Die Illustrationen stammen von Irma Schüle-Matzdorff. Erhältlich ist das Buch samt Kassette (30 Mark) bei "etcetera" in der Wurzerstraße und bei Hugendubel am Marienplatz.

wms
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